Waldbauer Helmut
Die persönlichen Daten sind mir dankenswerter Weise von der Familie Herzstark zur Verfügung gestellt worden.
S. J. Herzstark (Vater Samuel Jacob Herzstark 1867-1937) wurde im Jahre 1867 als Sohn eines Kaufmannes in Wien geb. und studierte nach abgeschlossener Mittelschule Maschinenbau.
Seine Praxis bekam Herzstark in verschiedenen Gießereien und Maschinenfabriken. Durch den frühzeitigen Tod seines Vaters konnte er seinen geliebten Beruf Maschinenbauer zu werden nicht mehr weiter verfolgen und mußte den väterlichen Betrieb in der Textilbranche als Kaufmann anstreben.
Die immens fortschreitende Entwicklung in der Büromaschinenbranche veranlaßte S. J. Herzstark der Textilbranche ade zu sagen und in ein großes Büromaschinenhaus als Verkäufer von Additionsmaschinen zu beschäftigen.
Der Schritt zum Rechenmaschinenverkauf der gehobenen Klasse war klar vorgezeichnet. Die Gründung des Rechenmaschinenwerkes AUSTRIA Herzstark &Co nach dem System „THOMAS“ war vollzogen(im Jahre 1905). Die AUSTRIA als Zwillingsmaschine, elektrische Maschinen und viele Patente und Verbesserungen waren die Folge. Zu Beginn des ersten Weltkrieges im Jahre 1914 zählte das Unternehmen an die 100 Mitarbeiter. Bis zu diesem Zeitpunkt baute Herzstark in seinem Betrieb ca.7500 Maschinen. Viele wurden in die angrenzenden Monarchieländer verkauft. Das Betriebsklima war ausgezeichnet. Vater Samuel Herzstark beschäftigte Hr. Johannes Hayard (Uhrenmechaniker aus Glashütte) welcher bei der Belegschaft wegen seiner hohen Kenntnisse sehr beliebt war. Die Mutter Curt Herzstark Frau Marie Herzstark war in dem Betrieb als Buchhalterin beschäftigt und leitete diese erstklassige Dienste.
Nach dem Tode Samuel Jacob Herzstark am 24.10. 1937 erbte sie den ganzen Betrieb und das Praterkino „Kristallpalast“.
Der Beginn des ersten Weltkrieges zwang Herzstark zur Einstellung seiner Rechenmaschinenproduktion. In Tag und Nachtschichten wurde für die Rüstungsindustrie Schrapnellzünder hergestellt. Viele junge Mitarbeiter wurden zum Kriegsdienst eingezogen. Im Frühjahr 1916 wurde S. J. Herzstark als 50-jähriger zum Militärdienst eingezogen wo er 2 Jahre seinen Kriegsdienst machte. In dieser Zeit machte Curt Herzstark seine Lehre als Feinmechaniker und Werkzeugmacher. Dabei lernte er bei der Zünderfabrikation zum erstenmal die Wichtigkeit von Toleranzlehren kennen. DIN-Normen oder ähnliches waren weitgehend unbekannt.
Nach der Lehrzeit absolvierte Curt Herzstark eine vierjährige Höhere Staatsgewerbeschule für Maschinenbau und ging anschließend als Volontär nach Deutschland.
Ab dem Jahre 1925 bis zum Frühjahr 1943 war C. Herzstark ständig im elterlichen Betrieb in Wien tätig. In den 20er Jahren verließ der langjährige Mitarbeiter Werkmeister Johannes Hayard den Betrieb und ging wieder nach Deutschland (Glashütte) zurück. Inzwischen hatte sich nach dem ersten Weltkrieg die amerikanische Produktion von Vierspeziesmaschinen mächtig entwickelt. USA hatte in schreibenden Additionsmaschine schon lange eine führende Rolle- Vierspeziesgeräte wurden in großer Anzahl aus Europa importiert. Mit gewaltigen Kapitaleinsatz wurde von MONROE, MARCHENT und FRIDEN die Rechner Produktion vorangetrieben. Nur wenigen europäischen Firmen wie z.B. Rheinmetall und Mercedes, gelang es, einigermaßen Schritt zu halten. Die Firma Rheinmetall mußte der Firma Herzstark für Patentverletzungen eine Lizenz bezahlen. Die Erzeuger von Sprossenradmaschinen so z.B.ODHNER, BRUNSVIGA und Walther die an bestimmte Benutzergruppen lieferten, konnten einigermaßen Schritt halten. Seit 1922 besaß die Firma HERZSTARK & CO den Alleinvertrieb der ASTRA-WERKE in Chemnitz, für Österreich und die Nachfolgestaaten. Dieser Betrieb erzeugte ab diesem Zeitpunkt eine schreibende Saldiermaschine nach dem System „DALTON“ mit einigen Verbesserungen. Die Entwicklung des „HERZSTARK MULTISUMMATOR“ auch MULTIMATOR.
Die Reisen der Herzstarks für Ihre Produkte führte im Jahre 1926 nach Neutitschein zur damals führenden europäischen Hutfabrik Johann Hückel`s Söhne. Der Prokurist Herr Rudolf Holub – Chef über ca.6000 Mitarbeiter und war dabei seine Büromaschinen auf den neuesten Stand zu bringen. Trotz doch großer Konkurrenz konnte Herzstark einen Großauftrag der von Ihm angebotenen Rechenmaschinen zu bekommen. Nicht zuletzt der Tatsache das einige Dutzend Herzstark Rechenmaschinen seit mehr als ein jahrzehnt tadellos funktionierten. Übrigens bis zum heutigen Tag =1999(fast einhundert Jahre)! Bei dieser Gelegenheit wurde die Rechenfunktion schreibend waagrecht und senkrecht in einem Arbeitsgang besprochen. Zu diesem Zeitpunkt ließ mich diese Aufgabe nicht mehr los und nach mehrwöchiger Überlegungen hatte Herzstark die Lösung.
Die dementsprechenden Patente wurden eingereicht und im Jahre 1928 konnte Herzstark auf der Internationalen Büroausstellung in Berlin als ERSTER seine neue AUTOMATISCH abrechnende Vielzählwerksmaschine dem interessierten Publikum vorstellen. Er nannte sie MULTISUMMATOR. Noch auf der Messe wurden 4 Maschinen verkauft. Kaufpreis ist mir leider nicht bekannt mit Sicherheit in der Höhe eines Mittelklassenautos. Die ASTRA Werke kamen mit eigenen Vielzählwerksmaschinen erst vier Jahre später auf den Weltmarkt.
Mit der Eingliederung Österreichs und der CSSR im Jahre 1938 in das Großdeutsche Reich wurde die Produktion verboten und Herzstark verlor als nicht vollarischer Betrieb alle deutschen Vertretungen. Am 24.10.1937 starb Samuel Jacob Herzstark. Frau Marie Herzstark wurde Universalerbin und konnte als Nichjüdin den Betrieb weiterführen.
Bruder Ernst der bis zu diesem Zeitpunkt wenig Interesse an der Firma zeigte, sollte das heute nicht mehr existierende Praterkino „Kristallpalast weiterführen. Aufgrund der Nürnberger Rassengesetze blieb aber alles in der Hand von Frau Marie Herzstark. Die Entwicklung der CURTA Kleinrechenmaschine. Im Verlaufe der vielen Geschäftsreisen hatten wiederholt Kunden den Wunsch nach einer Kleinstrechenmaschine laut werden lassen. Es bestand hier eine echte Marktlücke und noch der Vater von Curt Herzstark bat den Junior sich mit diesem Problem zu befassen. Jahrelange Überlegungen führten schließlich nach dem Tod des Vaters im Jahre 1937 zu der Lösung, die den Weg zur Curta Konstruktion eröffnete, nämlich zu der Erfindung der KOMPLIMENTÄRSTUFENWALZE, Patent Nr.747 073. In rascher Folge wurden weitere Konstruktionsideen verwirklicht.
Im Jahre 1938 hatte Curt Herzstark ein erstes primitives aber rechnendes Modell dieser Kleinrechenmaschine fertig. Weitere Entwicklungen zur späteren vollendeten Maschine hielt er absichtlich zurück, da die politische Entwicklung sich dramatisch verschlechterte.
Vom 11.März 1938 bis zum Sommer 1938 war es völlig ungewiß, ob die Firma weiterbestehen bleiben wird. Der Besuch einer mehrköpfigen Kommission aus Staatspolizei und Heer entschied für den Weiterbestand und wurde als kriegswichtig Stufe I beschlossen. Die Herzstark Grenzrachenlehre wurden in Fertigung genommen. Trotzdem wurde der Lehrenbau den Technischen Hochschulen Graz und Wien übergeben. Bei dieser Gelegenheit lernte Herzstark einige Professoren unter anderen auch Prof. Dr. Karl Holecek aus Wien kennen. Dieser wurde in der Familie Herzstark nach der Verhaftung im Jahre 1943 ein Freund der Familie. Irrtümlicherweise hat der Sohn von Prof. Holicek (Kammersänger Heinz Holicek) siehe Wiener Kronenzeitung vom 4.9.1990 seinem Vater die Erfindung der CURTA in Publikationen zugeschrieben. Entgegnung am 8.11.1990 in der gleichen Zeitung.
Zurück zu den schrecklichen Kriegstagen. Im Sommer 1938 wurden einige Mitarbeiter verhaftet. Ein Mechaniker sogar hingerichtet. Wenig später wurde auch Curt Herzstark unter lächerlichem Vorwand verhaftet und nach einigen Zwischenstationen ins Konzentrationslager BUCHENWALD gebracht. Mit dem Leben abgeschlossen befahl man in eines Tages in die Lagerkommandatur und eröffnete im das seine Erfindung bestens bekannt war. Man würde ihm das Lagerleben verbessern wenn er nicht unter „Gedächtnisschwund“ leide. Im angeschlossenen der SS gehörendem geheimen „Gustloff-Werk“ wurde geheimes Rüstungsmaterial erzeugt. Die Intelligenz-Sklaven konnten so vielleicht ihr Leben retten. Seine Erfindung konnte er weiter verfolgen und falls sie etwas wert sei, so wurde ihm mitgeteilt, könne man nach siegreicher Beendigung des Krieges die Maschine dem FÜHRER als Geschenk machen und Herzstark vielleicht die damals so begehrte „Arierschaft“ zu erteilen. Ich würde meinen ein großer Irrtum. „Mein Kampf“ sagt alles.
Anm. Helmut Waldbauer Ein gütiges Geschick ließ Herzstark aus diesem Trauma entkommen.
Am 11.April 1945 befreiten die Amerikaner am Leben gebliebenen Insassen des KZ BUCHENWALD – Die CURTA war in ihrer endgültigen Form fertig. Nur wenige Kilometer von Buchenwald ist die Stadt Weimar und Herzstark besuchte den Vertreter der ASTRA- und Rheinmetallwerke. In Sömmerda in der Firma Rheinmetall stellte Herzstark seine Curtakonstruktion vor. Die Herren waren begeistert. Die Patente waren bekannt – Österreich galt als befreites Land – so konnte man die Patente nicht konfiszieren. Die Vertriebsfachleute schätzten den Weltbedarf auf ca. 10 Millionen Stück. Im Betrieb in Sömmerda bei Rheinmetall wurden auf Rechnung und Risiko Herzststarks die Einzelteile der ersten drei Prototypen hergestellt. Am 7.Juli 1945 zogen sich die Amerikaner aus Thüringen zurück und überließen den Russen das Gebiet. Das Ansinnen der kommunistischen Partei beizutreten lehnte Herzstark ab, die Russen begannen die noch funktionstüchtigen Werkzeugmaschinen abzumontieren und Herzstark befürchtete das man ihn nach Russland deportiert und so flüchtete er in einer abenteuerlichen Weise über die CSSR nach Wien, welche er am 4.12.1945 am frühen Morgen erreichte.
Wirtschaftlich und familiäre Begebenheiten machten es unmöglich die Produktion in Wien im elterlichen Betrieb aufzunehmen und so beschloß Herzstark ins Ausland zu gehen. Der Vetter von Herzstark – der Violinvirtuose Fritz Kreisler – wollte bei Remington in den Vereinigte Staaten vermitteln. PREZISA die Schweizer Rechenmaschinenfabrik deren Inhaber persönlich bekannt noch mit Samuel Jacob Herzstark aus den geschäftlichen Beziehungen der 20er Jahre waren, wollte ebenfalls die Curta produzieren. Völlig überraschend wurde Curt Herzstark ins Palais Liechtenstein am Minoritenplatz eingeladen mit dem ehemaligen österreichischen Finanzminister Dr. JUCH im beisein der Prinzen Karl Alfred und Ulrich von Liechtenstein mit dem Wunsche daß Fürst Josef der II. von Liechtenstein sein Land mit neuen innovativen Produkten industriemäßig aufbauen möchte. Nach stundenlangen Verhandlungen mit Fachleuten und Patentanwälten wurde Herzstark gebeten mit seiner Erfindung nach Vaduz zu kommen. Mitte Mai 1946 wurde seiner Durchlaucht dem Fürsten die Maschine vorgeführt wobei dieser einige kleine Rechenoperationen selber ausführte.
Die Gründung der CONTINA AG mit Curt HERZSTARK als Techn. Direktor war beschlossen. Bis zum 31.12.1951 wurde die CURTA hunderttausendfach gebaut. Viele Verbesserungen sind in dieser Zeit durchgeführt wurden. Ein kleines technisches Wunderwerk machte seinen weltweiten Siegeszug- von allen geschätzt die eine CURTA besitzen.